Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
ich sitze heute Abend alleine hier, weil meine Frau ernsthaft krank ist, und frühestens in einem halben Jahr, – hoffentlich – wieder aktiv am Mutterstadter Ortsgeschehen teilnehmen wird.
Sie nimmt allerdings von zu Hause aus regen Anteil an dem was hier vorgeht und sie war drauf und dran sich von mir im Rollstuhl in den Ratssaal schieben zu lassen, weil sie ziemlich empört ist über die Pläne der Verwaltung die Platanen auf dem Platz vor der Neuen Pforte raus zu reißen.
Sie hat übrigens die beiden Gutachten sehr aufmerksam gelesen und ich habe das mittlerweile auch getan und die Lektüre dieser Ergüsse hat unsere Empörung nur weiter gesteigert.
In „Asterix“ versieht der dortige Dorfhäuptling seine Reden immer mit der Phrase: „Sofern mir der Himmel nicht auf den Kopf fällt“. Das ist natürlich hochspekulativ und irgendwie immer richtig, wobei man zur Ehrenrettung von Majestätix ins Feld führen kann, dass die Kelten tatsächlich im Chiemgau einen Meteoriteneinschlag erlebten und überlebten und dieses Ereignis traumatische Folgen für die keltische Kultur hatte.
Was die beiden im Auftrag unserer Dorfhäuptlinge erstellten Gutachten zur Situation der Platanen vor der Neuen Pforte angeht, sind die mindestens genauso spekulativ.
Oder deutlicher formuliert: Es werden einfach Dinge behauptet für die dann jeder Beweis fehlt.
Ein Beispiel:
„Auch das die Platanen als gekappte Bäume einen deutlich geringeren Krafteintrag in die Krone
erfahren – kleinere Krone – kleinere Windangriffsfläche kann nicht dazu führen, das man in
einem Gutachten zum jetzigen Stand der Baumaßnahme – also ohne konkrete Sichtung der
Wurzelverläufe und Wurzelschäden, welche ja auch erst noch entstehen werden, zu dem
Ergebnis kommt, dass nach der Umsetzung der Baumaßnahme keine statischen Probleme
vorliegen werden.“
heisst es auf Seite 9 des ersten Gutachten.
Das ist stark !! Weil man nichts weiss, kann man auch nichts Ausschließen.
Das Nichtwissen der Gutachter wird dadurch zu unschlagbaren Argument.
Die Gutachter wissen nicht, ob bereits ein Pilzbefall vorliegt, genauer: Sie haben dafür keinerlei Belege, aber das macht nichts.
Je weniger man weiss, desto munterer kann man behaupten.
Nächstes Beispiel:
„Grundsätzlich ist der natürliche Standort von Platanen „Ufer von Gewässern und
Bachbetten“. Als Auenbewohner kann diese Baumart wohl grundsätzlich mit einem immer
mal vorkommenden Bodenauftrag, z.B. als Folge von Überschwemmungen, umgehen.
Gleichzusetzen sind diese Fähigkeiten zum Umgang mit den Herausforderungen an Bäume
in Auenlandschaften aber nicht mit den Herausforderungen, welche die Bäume meistern
müssen welche als Folgen der Baumaßnahe an Sie herangetragen werden.“
Unsere heimischen Platanen gibt es seit ungefähr 1650. Sie sind aus einer Kreuzung amerikanischer mit morgenländischer Platanen hervorgegangen und haben auch den Namen „Londoner Platanen“ erhalten.
Dieser Name rührt daher, dass London die Stadt ist, in der der Smog erfunden wurde. Die im 19.Jahrhundert schon fast sprichwörtliche schlechte Luft in London hat Menschen, Tiere und Pflanzen stark geschädigt und manche Baumarten aus dem Londoner Stadtgebiet verdrängt.
Die Platanen haben es überstanden.
Deshalb, weil sie so robust sind, gehören Platanen heute zu den meistgepflanzten Stadtbäumen.
Nächstes Beispiel aus dem Hainfelder Gutachten (Seite 10):
„…durch die Baumaßnahme werden Verletzungen an den Bäumen
entstehen, welche vielleicht nicht von sofortiger statischer Relevanz sind, aber die Bäume in
jedem Fall schädigen. Sie könnten aber auch von sofortiger statischer Relevanz sein.
Über die Verletzungen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit holzzersetzende Pilze in die
Bäume eindringen.“
Das kann man eigentlich nur noch als bewusste Irreführung des Gemeinderats bezeichnen, denn direkt im Anschluss fahren die Autoren so fort:
„Grundsätzlich gelten Platanen als gute Kompartimentierer, vergleichbar mit Linden und
Eichen. Kompartimentierung ist eine Fähigkeit von Bäumen den Pilz in seinen
Wirkungsbereich einzuschränken. Je kleiner die vom Pilz verursachte Holzzersetzung, umso
mehr intaktes Holz verbleibt und kann statische Funktionen erfüllen.“
Platanen gelten nicht als „gute Kompartimentierer“ sondern sie zählen zu den starken Kompartimentierern.
Was heisst das nun ?
Es heisst dass Platanen wie Eichen im Falle einer Verletzung und/oder eines Pilzbefalls die Befallsstelle vom Rest des Organismus abtrennen können und damit erreichen, dass die Pilze im danach vom Rest des Baums abgekoppelten Bereich verhungern.
Das heisst aber, dass die im Gutachten und im Bauauschuss und Ältestenrat so düster herauf beschworene Gefahr weitgehend fiktiv ist.
Natürlich haben auch Platanen ihre Belastungsgrenzen.
Wenn man, wie im Hainfelder Gutachten unterstellt, davon ausgeht, dass die Betoneinfassungen
ohne den „…Einsatz von schweren Baumaschinen (Bagger mit Meisel und anschließend mit Greifschaufel) ..die Arbeiten wohl nicht durchzuführen“ sind, so stellt man dadurch technisch sicher, dass die Bäume den Umbau nicht überleben.
Dass liegt dann aber nicht an den Bäumen sondern an der Unfähigkeit eine solche Massnahme nur mit Bagger mit Meisel durchführen zu können.
Anderswo geht‘s anders, z.B. in Mannheim.
Kommen wir zur statischen Situation.
Es gibt unter den Wurzelformen von Bäumen im wesentlichen Flachwurzler, Pfahlwurzler und solche die eine Herzwurzel, d.h. einen Ring von Wurzeln im Kreis um den Stamm nach unten ins Erdreich, ausbilden. Platanen sind Herzwurzler.
Das ist aber, wie man schon mit ein klein wenig Schulphysik mühelos versteht, die statisch stabilste Form der Wurzelbildung.
„Betoneinfassungen können Teil der Baumstatik werden, wenn ein Baum sich über viele Jahre
an die eingeengten Gegebenheiten angepasst hat, und zum Beispiel die Betoneinfassung als
eine Art Korsett oder Wiederlager für seine Wurzeln nutzt, um sich selbst zu stabilisieren.
Entfernt man dieses Korsett oder Wiederlager, kann das zu einer erheblichen
Beeinträchtigung der Standsicherheit bis hin zum Versagen des Baumes führen. “
Schreiben die Gutachter des 2. Kurzgutachtens.
Nun erwähnen die Gutachter nicht, wie tief die Betoneinfassung überhaupt reicht. Dem Vorspann des Gutachtens kann man entnehmen, dass dies die Mutterstadter Bauverwaltung auch nicht weiss, dass sie aber schätzt, dass es 1 m ist.
Nun fällt es mir ehrlich gesagt ziemlich schwer zu glauben, dass eine 1 m tiefe Mauer einen wesentlichen Einfluss auf die Wurzelstatik hat, wenn wir andererseits, zu Recht, darauf hingewiesen werden, dass die Wurzeln sich weiter ausbreiten als die Äste.
Man kann sich aber sicher sein, dass die Bäume sehr schnell die Befreiung von diesem Betonring nutzen werden, um sowohl ihre ernährungspysiologische als auch ihre statische Situation zu verbessern.
Insgesamt operieren beide Gutachten sehr oft mit „leeren Behauptungen“ wie Hegel solche Argumentationsmuster schon vor 200 Jahren genannt hat. „Leere Behauptungen“ zeichnen sich dadurch aus, dass sie weder beweisbar noch widerlegbar sind.
Ich habe bereits im Oktober in einer gemeinsamen Sitzung von Gemeinderat und Bauausschuss sehr klar und deutlich erklärt, dass wir der Wegnahme auch nur eines Baumes vor der Neuen Pforte nicht zustimmen werden.
Die Beseitigung aller Bäume kann darum erst Recht nicht unser Einverständnis finden.
Die Platanen wurden 1977 gepflanzt und sind daher mit ihren etwas mehr als 41 Jahren noch jung.
Wie hoch die Lebenserwartung einer ahornblättrigen Platane sein kann, ist noch unklar, da diese Art erst vor ca.350 Jahren entstanden ist, allerdings sind Bäume nachgewiesen, die etwa genau so alt sind und leben. Ob die dann 500 Jahre leben werden, werden wir empirisch nicht mehr feststellen können. Von der Elternart unserer Platanen, einer morgenländischen Platane, ist ein noch lebendes Exemplar bekannt, das 2500 Jahre alt sein soll. Da haben wir als Gemeinde noch ein paar Jährchen hin, bis wir genauso alt sind.
Die Gutachten geben sich zwar reichlich Mühe uns von der Alterschwäche dieser Bäume zu überzeugen, enthalten aber keinen einzigen stichhaltigen Beweis für ihre Vermutungen.
Stattdessen wird mit unsauberen rhetorischen Tricks gearbeitet.
Diese Bäume werden uns alle überleben, wenn wir sie nicht mutwillig zerstören.
Sie prägen heute schon das Ortsbild und können es künftig noch deutlicher positiv prägen.
Eine solche positive Prägung haben wir dringend nötig.
Schon der Abriss des alten Bahnhofs und der Ersatz durch das Brutal-Beton-Gebäude „Neue Pforte“ vor 41 Jahren war im negativen Sinn ortsbildprägend.
Wenn wir das heute korrigieren wollen, gehören die Bäume dazu.
Es ist dabei ziemlich lächerlich, wenn wir uns um die geplante neue Platzplasterung sorgen, denn die werden wir in den nächsten 100-200 Jahren noch öfter erneuern müssen.
Wir können die Mehrheit dieses Gemeinderats nicht davon abhalten, sich bei der Mit- und Nachwelt nach Kräften lächerlich zu machen.
Wir versprechen aber allen Mutterstadter Bügerinnen und Bürgern, die wie wir, das geplante Vorgehen absurd und verantwortungslos finden, dass sie sich auf unsere Fraktion verlassen können.
Wir werden, wenn es notwendig wird, alle Möglichkeiten des Widerstands ausschöpfen.
Es gäbe heute noch viel auch zu anderen Problemen der Gemeinde zu sagen.
Ich werde für aber darauf verzichten, weil ich die klare Botschaft, die ich heute senden muss nicht verwässern will.
Und diese Botschaft lautet:
Rettet die Platanen vor der Neuen Pforte.
Ich werde mich beim Haushalt enthalten.
Enthalten deshalb, weil unsere Kämmererin, Frau Helm eine gute und solide Arbeit macht. Leider trifft dies nicht für alle Abteilungen zu und auch die Ortsspitze hat derzeit nicht mein Vertrauen und deswegen kann ich auch nicht zustimmen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit !